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Varnhagensche Bibliothek

Adresse. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Iserlohn, Martin-Luther-King-Str. 41, 5860 Iserlohn [Karte]
Telefon. (02371) 4 22 58

Unterhaltsträger. Evangelische Kirchengemeinde Iserlohn
Funktion. Alte Pfarrbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Schriftliche oder telefonische Anmeldung beim Archiv erforderlich (z. Z. Pfarrer i. R. H.-M. Herbers). Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Fußwegnähe vom Westbahnhof (ca. 10 Minuten). A 45, Kreuz Hagen, Ausfahrt Iserlohn-Mitte.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Varnhagensche Bibliothek entstand als Privatbibliothek der Familie Varnhagen, die in den Jahren von 1524 bis 1801 die Vikarstelle in Iserlohn innehatte. Dabei trugen die Mitglieder der Familie in unterschiedlicher Weise zum Aufbau der Bibliothek bei.

1.2 Eine erste Sammlung entstand sicherlich schon unter Dietrich Friedrich Varnhagen (1624-1691). Den Exlibris nach zu schließen, wurden die Bücher zunächst nicht systematisch gekauft, sondern wahrscheinlich dem Gescck des jeweiligen Sammlers und der Marktlage entsprechend erworben; doch lassen sich, da ältere Kataloge fehlen, hierüber nur unzureichende Aussagen machen. Demgegenüber verfolgten Jodokus Theodor Varnhagen (1649-1718) und Johann Theodor Hermann Varnhagen (1714-1779) im darauffolgenden Jahrhundert eine systematische, auch retrospektive Erwerbungspolitik. Unter letzterem wurde der Ausbau der Bibliothek besonders vorangetrieben.

1.3 Im Jahre 1784 wurde die Büchersammlung der Familie Basse mit einem größeren Bestand an juristischer Literatur der Varnhagenschen Bibliothek einverleibt. Nach dem Tod von Reinhard Dietrich Varnhagen ging die Bibliothek schließlich in den Besitz der evangelischen Kirchengemeinde über. Ob in dieser Zeit größere Verluste eingetreten sind, läßt sich nicht eindeutig feststellen. Doch dürfte der ursprüngliche Bestand sicherlich einmal größer gewesen sein.

1.4 Die Bibliothek wurde das ganze 19. Jh hindurch auf Speichern und in Kellern untergebracht, bis sie 1927 " wiederentdeckt" und 1937 dem städtischen " Haus der Heimat" als Depositum übergeben wurde. In dieser Zeit wurde sie dann auch katalogisiert. Seit 1981 befindet sich die Varnhagensche Bibliothek im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde und ist dort zugänglich.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Den folgenden Zahlenangaben liegt eine Auszählung des Katalogs der Varnhagenschen Bibliothek nach Titeln zugrunde. Danach verteilen sich die ca. 1600 Titel (in ca. 1500 Bdn) wie folgt: 18 Hss. und 7 Inkunabeln; erste Hälfte des 16. Jhs: ca. 40 Titel; zweite Hälfte des 16. Jhs: ca. 140 Titel; erste Hälfte des 17. Jhs: ca. 210 Titel; zweite Hälfte des 17. Jhs: ca. 420 Titel; erste Hälfte des 18. Jhs: ca. 410 Titel; zweite Hälfte des 18. Jhs: ca. 330 Titel; erste Hälfte des 19. Jhs: 10 Titel; ca. 40 Titel sind ohne Jahresangabe.

2.2 Vom Gesamtbestand sind ca. 51 Prozent der Titel deutschsprachig, ca. 47 Prozent lateinisch und ca. 3 Prozent französisch oder mehrsprachig. Die Gruppe Allgemeine und systematische Theologie umfaßt ca. 490 Titel, von denen ca. 62 Prozent lateinisch mit Schwerpunkt im 17. Jh und ca. 38 Prozent deutschsprachig sind (185 Titel, die von der zweiten Hälfte des Jhs bis zum Ende des 18. Jhs ansteigen). Nur wenige Titel sind französisch oder niederländisch. Die 610 Titel der Gruppe Praktische Theologie haben demgegenüber ihren Schwerpunkt in der deutschen Literatur (ca. 78 Prozent), die hauptsächlich auf die zweite Hälfte des 17. Jhs bis zum Ende des 18. Jhs entfallen. Nur ca. 21 Prozent der Titel sind lateinisch (Schwerpunkt im 17. Jh). Die Gruppe Exegetik umfaßt ca. 200 Titel; ca. 57 Prozent sind lateinisch, ca. 39 Prozent deutsch (Schwerpunkt im 18. Jh) und nur wenige französisch, niederländisch oder mehrsprachig (lateinisch-griechisch; hebräisch-lateinisch). Eine kleine Gruppe Kirchen- und Dogmengeschichte weist 66 Titel nach, von der 25 Prozent lateinisch und 75 Prozent deutsch sind. Die Gruppe Antike umfaßt ca. 120 Titel, die zu ca. 78 Prozent lateinisch sind (Schwerpunkt im 17. Jh). Daneben finden sich mehrsprachige (lateinisch-deutsch; griechisch-lateinisch), einige deutsche, hebräische und syrische Werke aus dem 17. Jh bis ins beginnende 18. Jh. Die Gruppe Naturwissenschaften enthält 53 Prozent lateinische und ca. 34 Prozent deutsche Werke. Ebenso überwiegen bei den Titeln zur Philosophie und Logik (ca. 70 Titel) die lateinischen (ca. 76 Prozent) gegenüber den deutschen (ca. 24 Prozent). Die ca. 90 Titel zur Welt- und Kulturgeschichte sind zu ca. 56 Prozent lateinisch und zu 43 Prozent deutschsprachig. Systematische Übersicht

2.3 Entsprechend der Zweckbestimmung der Bibliothek als Handbibliothek der Vikarstelleninhaber enthält sie in der Hauptsache Literatur zu allen Teildisziplinen der Theologie (insgesamt ca. 75 Prozent), doch sind auch die übrigen Fächer noch recht gut vertreten.

2.4 Bei der Theologie (ca. 1360 Titel) finden sich neben der allgemeinen Literatur vor allem Schriften der orthodoxen (z. B. J. W. Baier, B. Bebel, Calov, M. Chemnitz, J. Feuerborn) und gemäßigt orthodoxen Lutheraner (z. B. Fresenius), aber auch die reformierten Theologen (z. B. J. Cocceius) und die Ireniker sind vertreten (allein G. Calixt mit 6 Titeln in zeitgenössischen Ausgaben) ebenso wie deren Gegner im Synkretistenstreit und auch die Kontroverstheologen der Gesellschaft Jesu (neben Bellarmini z. B. noch Bossuet, Bourdaloue oder H. Busenbaum). Die orthodoxen Lutheraner wurden wahrscheinlich von Johannes Varnhagen d. J., der in Helmstedt studiert hatte, für die Bibliothek angeschafft. Von Conrad Varnhagen dürften dagegen die beiden Sammelbände mit gedruckten Helmstedter Disputationen und Dissertationen aus den Jahren 1612 bis 1618 stammen.

2.5 Den größten Anteil macht die Literatur zur praktischen Theologie (ca. 610 Titel) aus; etwa 38 Prozent der gesamten und fast 45 Prozent der theologischen Literatur sind dieser Gruppe zuzurechnen. Es handelt sich vor allem um allgemeine Homiletik, Predigtsammlungen und auch asketisches Schrifttum in überwiegend deutschsprachigen Ausgaben (s. o.). Einen großen Teil nehmen darüber hinaus die gedruckten Leichenpredigten und Hochzeitsgedichte sowie Erbauungsliteratur ein.

2.6 In der Gruppe Exegetik (ca. 200 Titel) befinden sich Bibelausgaben, Bibelkommentare und eine größere Gruppe von exegetischer Literatur, die vorwiegend von Dietrich Friedrich Varnhagen († 1691) für die Bibliothek gekauft und von seinem Sohn, Jobst Dietrich Varnhagen, vermehrt wurde. Hoch ist der Anteil an Autoren des Humanismus (oftmals in zeitgenössischen Ausgaben), vor allem von Melanchthon und Erasmus, aber auch von Eobanus Hessus, N. Frischlin oder Camerarius.

2.7 Die wichtigsten klassischen Autoren (ca. 90 Titel, vor allem Cicero und Horaz) fehlen ebensowenig wie die Kirchenväter (mit Ausnahme von Gregor dem Großen und Ambrosius). Demgegenüber treten die mittelalterlichen Autoren kaum hervor. Die Kirchen- und Dogmengeschichte (66 Titel) enthält überwiegend Handbücher, Kompendien und allgemeine Darstellungen ebenso wie die Gruppen Bürgerliches (59 Titel) und Kanonisches Recht (10 Titel).

2.8 Im Gegensatz zur Theologie treten die naturwissenschaftlichen Werke (ca. 70 Titel, überwiegend Botanik und Arzneikunde), die Philosophie und Logik (ca. 70 Titel) und die Welt- und Kulturgeschichte (ca. 90 Titel, überwiegend allgemeine Abhandlungen) quantitativ zurück.

3. KATALOGE

Ältere Kataloge sind nicht überliefert. Dafür existieren zwei in neuerer Zeit angefertigte Verzeichnisse:

Alphabetischer Katalog der Varnhagenschen Bibliothek

[Alphabetischer Kurztitelkatalog, per EDV erstellt, geordnet nach Autoren und Sachtiteln]

Die Varnhagensche Bibliothek. Gesamtverzeichnis. Bearb. von Fritz Kühn. Iserlohn 1966

[Systematischer Katalog in 12 Sachgruppen, innerhalb der Gruppen alphabetisch nach Autoren, Sach- und Formaltiteln]

Die Bestände sind nicht im Zentralkatalog Nordrhein-Westfalen nachgewiesen.

Außer Vorbesitzereinträgen und Exlibris existieren keine weiteren Quellen.

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Herzig, Arno: Die Geschichte der Varnhagen-Vikarie im Rahmen der Sozialgeschichte Iserlohns. In: Fritz Kühn zum Gedächtnis. Beiträge zur Geschichte Iserlohns. Iserlohn 1968, S. 9-39

Herzig, Arno: Die Varnhagen-Bibliothek. In: Fritz Kühn zum Gedächtnis. Beiträge zur Geschichte Iserlohns. Iserlohn 1968, S. 40-68

Herzig, Inge-Rose: Gelegenheitsdichtung Iserlohner Bürger des 17. Jhs. In: Fritz Kühn zum Gedächtnis. Beiträge zur Geschichte Iserlohns. Iserlohn 1968, S. 76-105 [zur Varnhagenschen Bibliothek III 458 F6]

Stand: August 1989

Reinhard Feldmann


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.