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Bibliotheken in Mähren

Vom Beginn bis etwa 1400 Die Anfänge der Buchkultur in Mähren sind mit dem Staat der Westslawen verbunden, der als Großmähren oder als Großmährisches Reich bezeichnet wird. Dieser wurde im 9. Jahrhundert zu einer politisch und kulturell bedeutungsvollen Großmacht im damaligen Europa, auf deren Gebiet die erste slawische Schriftkultur entstand. Die herrschende Dynastie der Mojmiriden bat bei der Christianisierung den byzantinischen Kaiser Michael III. um Hilfe. Eine frühere Tätigkeit irisch-schottischer Missionare ist nicht auszuschließen. So kam im Jahre 863 eine Gruppe von Missionaren unter Führung der griechischen Brüder Cyrillus (Konstantinus) und Methodius aus Thessaloniki nach Mähren, die der slawischen Sprache mächtig waren. Cyrillus schuf bald eine Literatursprache (das Kirchenslawisch) und ein aus der griechischen Minuskelschrift den slawischen Lauten angepaßtes neues Alphabet, die Glagoliza, und begann mit der Übersetzung der wichtigsten biblischen und liturgischen Texte aus dem Griechischen. Von diesem Literaturschaffen, das sich neben die hochentwickelte griechisch-byzantinische und lateinische Literatur reihte, ist heute nur noch ein Torso vorhanden (zwei Missalfragmente, ein Psalter und liturgische Gebete). Diese Kultur ging zusammen mit dem Staat durch den Einfall der Magyaren zu Beginn des 10. Jahrhunderts unter. Durch die Zugehörigkeit Mährens zum Bistum Regensburg seit 950 (ab 975 zum Bistum Prag) blieb jedoch ein Bezug zur deutschen Kultur bestehen.

Quellen aus dem späten 10. Jahrhundert über Mähren sind nicht erhalten; erst im 11. Jahrhundert kann die Entwicklung der mährischen staatlichen und kirchlichen Strukturen wieder verfolgt werden. Sie begann nun auf völlig neuen Grundlagen. Mähren wurde von den böhmischen Premysliden beherrscht, und Fürst Oldrich (1012-1034) schloß das Territorium Mährens dem böhmischen premyslidischen Staat an. In den zwanziger Jahren des 11. Jahrhunderts wurde Mähren endgültig fester Bestandteil des böhmischen Staates. Vratislav II. (seit 1086 böhmischer König) errichtete im Jahre 1063 das mährische Bistum mit Bischofsitz in Olomouc [Olmütz], dessen Bischöfe eine wichtige Rolle in der politischen Verwaltung Mährens spielten. Träger der lateinischen Schrift- und Sprachkultur waren die kirchlichen Institutionen. Aus den westlichen und südlichen Kulturzentren kommend, breitete sie sich zunehmend in den Ländern Mittel- und Osteuropas aus.

In der Buchkultur Mährens behielt die Kirche ihre führende Stellung bis zu den Theresianischen und Josephinischen Reformen im 18. Jahrhundert. Die Existenz von Schulen und Bibliotheken in den Kirchenzentren war stets selbstverständlich. Die bischöfliche Bibliothek beim Sitz der Kirchenverwaltung Olomouc wurde von Bischof Jindrich (Heinrich) Zdík (1126-1150), Prämonstratenser und Befürworter der Kreuzzüge, beträchtlich vermehrt. Er errichtete unter anderem ein Skriptorium mit dreißig Schreibern, die Handschriften abschrieben. Die Olmützer Domkapitelsbibliothek gehört wegen ihrer seltenen Bücher (638 Handschriften und 363 Inkunabeln) zu den bedeutendsten historischen Sammlungen in Mähren. In neuerer Zeit errichteten die Bischöfe von Olmütz (seit 1777 Erzbischöfe), vor allem dank der Verdienste des Bischofs Karl von Lichtenstein-Castelcorn (Amtszeit 1664-1695), eine umfangreiche repräsentative Bibliothek auf Schloß Kromeríz [Kremsier] mit ca. 36.000 Bänden und 180 Inkunabeln. Die Domkapitelsbibliothek in Brno [Brünn] beim 1296 gegründeten Kapitel war nach einem historischen Zeugnis eine ungemein kostbare Büchersammlung, welche sobald nicht zu bekommen und zu erkaufen sein wird. Sie verbrannte im Jahre 1643 bei der ersten Belagerung Brünns durch die Schweden und wurde nicht wiederaufgebaut. Eine kleinere Bibliothek besitzt auch das 1625 gegründete Domkapitel in Mikulov [Nikolsburg].

Die Existenz zahlreicher Pfarrbibliotheken bezeugen deren Restbestände in großen öffentlichen und kirchlichen Bibliotheken. So erwarb etwa das Kloster Rajhrad [Raigern] in der Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 200 Bände der Pfarrbibliothek Moravská Trebová [Mährisch Trübau], darunter zahlreiche zwischen 1469 und 1472 in Venedig und Rom gedruckte Inkunabeln sowie die Überreste der Privatbibliothek des Ladislav von Boskovic (1520). Eine Ausnahme bildete die als nahezu unversehrte Einheit erhaltene mittelalterliche Bibliothek der St.-Jakobs-Kirche in Brno aus der Zeit der Jahrhundertwende vom 15. zum 16. Jahrhundert (125 Handschriften und 141 Inkunabeln), die seit 1931 im Brünner Stadtarchiv deponiert ist. Im Laufe der Zeit gingen einige alte Pfarrbibliotheken verloren. Von den größeren erhaltenen Sammlungen aus neuerer Zeit verdienen Erwähnung die Sammlungen in Dub nad Moravou im Bezirk Olmütz (aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, 770 Bände) und in Náklo [Nakel] aus dem Nachlaß des dortigen Pfarrers Paul Kalous (Amtszeit 1775-1784, 1600 Bände).

Von größter Bedeutung waren die Klosterbibliotheken. Die Klöster waren eine treibende Kraft im gesamten Zivilisationsprozeß, und ihre kulturelle Leistung ist unbestritten. In einer Reihe von Orden (beispielsweise bei den Benediktinern und Kartäusern) wurde dem Abschreiben von Büchern sowie dem Ausbau und der Pflege von Bibliotheken große Bedeutung beigemessen. Das erste mährische Kloster des Benediktinerordens wurde von dem böhmischen Fürsten Bretislav I. (1034-1055) um 1050 in Rajhrad [Raigern] gestiftet, als Filialpropstei des Prager Klosters in Brevnov. Seine bedeutende Bibliothek (ca. 65.000 Bände) existiert noch heute. Es folgten die Stiftungen der Benediktinerabteien Olomouc-Hradisko [Olmütz-Hradisch] 1077 (1151 an die Prämonstratenser übergeben) und Trebíc [Trebitsch] um 1101. Im 12. Jahrhundert kam die Stiftung weiterer Klostergemeinschaften in Mähren fast zum Stillstand. Eine neue Gründungswelle setzte erst um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert ein. Es entstanden die Prämonstratenserklöster Znojmo-Louka [Bruck an der Thaya] im Jahre 1190 (1784 aufgehoben, damals 9627 Bände), Brno-Zábrdovice [Obrowitz] 1205, Nová Ríše [Neu-Reisch] 1211 (ursprünglich ein Frauenkloster) sowie die Zisterzienserklöster Velehrad [Wellehrad] um 1190, Zdár nad Sázavou [Saar] 1252 (eine im Kloster entstandene Chronik in Versen ist als einzige Chronik mährischer Klöster erhalten geblieben) und Vizovice [Wisowitz] 1260. In allen größeren mährischen Städten ließen sich zudem während des 13. Jahrhunderts Angehörige der Bettelorden der Minoriten und Dominikaner nieder. Klöster beider Orden entstanden in Brno, Olomouc, Jihlava [Iglau], Znojmo [Znaim] und Opava [Troppau], Dominikanerklöster in Uherský Brod [Ungarisch Brod] und Šumperk [Mährisch Schönberg], Klöster der Minoriten in Krnov [Jägerndorf] und Unicov [Mährisch Neustadt].

Im 14. Jahrhundert wurden die neuen Strömungen und Richtungen des geistlichen und kirchlichen Lebens von den Orden der Augustiner und Kartäuser repräsentiert, die gleichzeitig auch die letzte Phase der mittelalterlichen Klosterstiftungen bestimmten. Die Gemeinschaften der Augustiner-Eremiten entstanden bei Krasíkov [Budigsdorf] im Kloster Maria-Kron (Corona sanctae Mariae, gegründet bereits 1264), Brno 1350, Moravský Krumlov [Mährisch Krumau] 1355, bei Osvetimany [Oswietiman] 1356 und in Jevícko [Gewitsch] 1372. Die Augustiner pflegten ein hohes Bildungsniveau, wie ihre Brünner Bibliothek beeindruckend beweist. Außer dem Zweig der Eremiten entstanden auch die Klöster der Chorherren in Šternberk [Sternberg] 1371, Fulnek 1389, Prostejov [Prossnitz] 1391 und Olomouc (1371 in Lanškroun [Landskron] in Böhmen gegründet und 1421 übergesiedelt). Von besonderer Bedeutung für die Buchkultur waren die Kartäuserklöster in Brno-Královo Pole [Königsfeld] 1375 und Olomouc-Dolany [Dollein] 1388. Hier entstanden besonders zahlreiche Bücherabschriften. Aus der Olmützer Kartause stammt die beeindruckende Zahl von 134 mittelalterlichen Handschriften, die in der dortigen Staatlichen wissenschaftlichen Bibliothek aufbewahrt werden. Sie machen ein Drittel der mittelalterlichen Handschriften der reichen Olmützer Sammlung aus. Die Zeit des Hussitentums, des Humanismus, der Renaissance und der Reformation (1400-1620) Das Hussitentum setzte sich in Mähren nicht in gleichem Maße durch wie in Böhmen. Die katholische Kirche in Mähren bewahrte sich ihre Struktur dank des Olmützer Bischofs Johann (1417-1430), genannt der Eiserne, einem entschiedenen Gegner des Hussitentums. Alle bedeutenden, überwiegend deutschen Städte wurden zum Bollwerk der katholischen Partei des Kaisers Zikmund (Sigismund). Einige Klöster außerhalb der befestigten Städte wurden durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen, nicht nur durch Zerstörung (so 1421 Velehrad [Wellehrad], einschließlich der Bibliothek), sondern auch durch Schwächung ihrer Wirtschaftskraft. Nach den Verhandlungen des Basler Konzils wurden 1436 zwei Glaubensbekenntnisse legalisiert: der Katholizismus und der Kompaktaten-Utraquismus. Die päpstliche Kurie unternahm jedoch einige Anstrengungen, um eine totale Rekatholisierung zu erreichen, wie sie sich in der erfolgreichen Mission des Franziskanermönchs Heiliger Johannes Kapistranus (1386-1456) im Jahre 1451 manifestierte. Auf dessen Wirken beruhen die Stiftungen der Franziskanerklöster in Brno, Olomouc, Opava [Troppau], Jemnice [Jamnitz] 1455 und Znojmo [Znaim] 1469, die alle umfangreiche Bibliotheken aufbauten (besonders in Brno).

Die Existenz von Privatbibliotheken wird in Archivquellen der damaligen Zeit und durch einzelne (heute in anderen Bibliotheken erhaltene) Werke belegt. Ihre Begründer waren in vielen Fällen Repräsentanten der Kirche, die ihre Sammlungen den kirchlichen Korporationen größtenteils als Geschenk oder Nachlaß vermachten, so daß diese Privatbibliotheken ihre Besitzer nicht lange überdauerten. Auf diese Weise gelangten die Bücher des gelehrten Olmützer Bischofs Kuneš (Konrad) von Zvole (1430-1434) sowie die des Kapitelspropstes und Humanisten Augustin Käsenbrod (Augustinus Moravus oder Olomucensis, 1467-1513) in das dortige Domkapitel. Ein weiterer Olmützer Bischof, Bohuslav (Gottlob) von Zvole (1454-1457) hinterließ seine überwiegend kirchenrechtlichen Bücher den Kartäusern in Olomouc. Der Brünner Priester und Notar Johann Thabrarr ( um 1480) schenkte seine Büchersammlung der St.-Jakobs-Kirche in Brno. Eine umfangreiche Bibliothek mit humanistischer Prägung sammelte der mährische Oberstlandkämmerer Ladislav von Boskovic (1520) aus Moravská Trebová [Mährisch Trübau], der bereits die Sammlung seines Onkels, des Olmützer Bischofs Tas (Protasius) von Boskovic (1457-1483), geerbt hatte, eines Bibliophilen, der König Matthias Corvinus vergleichbar ist. Die Bibliothek der Herren von Cimburk in Tovacov [Tobitschau], gegründet von dem mährischen Landeshauptmann Ctibor von Cimburk (1494), gelangte nach dem Aussterben der Familie Cimburk in den Besitz des Geschlechts Pernštejn. Diese schenkten die Bücher später den Jesuiten in Olomouc (1567) und in Prag (1600).

Die Privatbibliotheken spiegeln die damaligen kulturellen Gegebenheiten wider. Nach dem Ende der hussitischen und ungarischen Kriege (1467-1471) zählte Mähren zum mitteleuropäischen Kulturraum. Die wichtigsten geistigen und künstlerischen Strömungen am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit fanden Eingang und konnten sich hier ausbreiten. Unter der Regierung von Matthias Corvinus (1490) seit 1478 und der Jagiellonier pflegte Mähren enge Verbindungen zum Hof von Buda mit seiner durch Humanismus und Renaissance geprägten Kultur. Die Bindungen zu Prag schwächten sich ab, dafür verstärkten sich die Beziehungen zu Wien, Krakau und Italien, was sich auch auf die Büchereinfuhr auswirkte. Ein kulturelles und künstlerisches Zentrum in Mähren war der bischöfliche Hof von Olomouc. Auch einige Adelsgeschlechter fungierten als Mäzene, während sich die kulturelle Wirksamkeit vieler alter Klöster infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten abschwächte.

In den gebildeten kirchlichen und weltlichen Kreisen setzte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die humanistische Bildung durch. Ihre Anhänger fanden sich unter den Olmützer Bischöfen (Tas von Boskovic und Stanislaus Thurzo, 1497-1550), unter den dortigen Domherren, dem Hochadel sowie unter den gebildeten Bürgern in den Städten. Die mährischen Humanisten standen im Briefwechsel mit bedeutenden europäischen Humanisten, so zum Beispiel Bohuslav Hasištejnský z Lobkowicz, Konrad Celtes, Johann Cuspinian, Hieronymus Balbus und Joachim Vadian. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gründeten sie in Olomouc die Gemeinschaft Societas Marcomannica. Der Humanismus fand auch Eingang in das städtische Schulwesen; er durchdrang Literatur und Bildung und fand seinen Niederschlag in lateinischen, deutschen und tschechischen Texten.

Um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert entstanden in Brno und Olomouc die ersten mährischen Buchdruckereien, die aber fast ausschließlich lateinische Werke und nur wenige deutsche herausbrachten (meist theologische und liturgische Werke, Lehrbücher der lateinischen Sprache und Einblattdrucke wie Kalender und Ablässe). Die Drucker stammten durchweg aus Deutschland. In Brno wurde die Buchdruckerkunst in den Jahren 1486 bis 1499 heimisch. Die Drucker Konrad Stahel aus Blaubeuren und Matthias Preinlein aus Ulm - beide vorher in Venedig tätig, weshalb sie sich stolz Impressores Veneti nannten - gaben 23 Titel heraus. Die Brünner Inkunabeln sind größtenteils als Unikate erhalten geblieben, nur die Chronica Hungarorum des Johannes de Thurócz von 1488 (Hain 15.517) ist in den großen Bibliotheken zahlreich vorhanden. Preinlein siedelte nach Olomouc über, wo er 1499 zwei kleinere lateinische Werke produzierte. Seine Offizin übernahm Konrad Baumgarten aus Rottenburg. Zwischen 1500 und 1502 brachte er 13 Titel heraus, darunter Werke von Heinrich Institoris; später verlegte er seine Tätigkeit nach Breslau. 1504 kam als dritter Drucker Liborius Fürstenhain aus Heiligenstadt nach Olomouc. Von ihm ist jedoch nur ein Buch bekannt.

Die dritte mährische Stadt mit früher Offizin war Mikulov. Simprecht Froschauer (genannt Sorg), Sohn des Augsburger Druckers Johann Froschauer (1523), errichtete hier auf Veranlassung des Wiedertäufers Balthasar Hubmaier eine Druckerei, in der er zwischen 1526 und 1527 ausschließlich deutschsprachige Drucke (21 Werke) für die Wiedertäufer herausgab. Das erste Buch in tschechischer Sprache soll im Jahre 1527 in Prostejov [Prossnitz] gedruckt worden sein, ist aber nicht erhalten geblieben. Weitere tschechische Druckereien gab es 1530 in Lulec [Lultsch] (Bezirk Vyškov [Wischau]), 1533 in Námešt nad Oslavou [Namiescht an der Oslawa] und 1538 in Olomouc. Mährische Druckereien befanden sich in der Zeit vor 1620 von 1558 bis 1588 in Velk‚ Mezirící [Groß-Meseritsch], seit 1564 in Ivancice [Eibenschütz] und als Druckerei der Brüdergemeinde von 1578 bis 1619 nach Kralice [Kralitz] umgesiedelt, von 1589 bis 1593 in Jihlava-Star‚ Hory [Iglau-Altenberg] und von 1605 bis 1616 in Velk‚ Nemcice [Groß Niemtschitz]. Weiterhin wirkte in Schlesien der Breslauer Wanderdrucker Georg Baumann d. Ä. (1564-1607), so beispielsweise 1592 in Jestkovice [Jäschkowitz]. Am Ende des 15. Jahrhunderts hatte sich in Mähren allgemein ein reger Buchhandel entwickelt, der vor allem von dem deutschen Drucker und Verleger Peter Drach (1504) aus Speyer und seinem Agenten Johann Schmidhofer betrieben wurde. Sie unterhielten Lager in Brno, Jihlava [Iglau] und Olomouc und offerierten Interessenten bis zu 60 Titel in dieser Zeit.

Unter der tschechischen Bevölkerung breitete sich rasch die Gemeinde der Böhmischen Brüder aus, die in ihren Grundsätzen Ähnlichkeiten mit dem Hussitentum aufwies. Auch in Mähren hatte die Brüdergemeinde von Anfang an ihre Anhänger und stand unter dem Schutz der mächtigen utraquistischen und auch der katholischen Obrigkeiten, vor allem auf dem Herrschaftsgebiet der Familie Pernštejn. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es allerdings zur verstärkten Gegenbewegung der katholischen Kirche bis hin zu Versuchen, die Inquisition einzuführen. Herausragender Vertreter dieser Gegenbewegungen war der Dominikanermönch Heinrich Institoris (ca. 1430-1505), Hauptverfasser des Malleus maleficarum und anderer polemischer Schriften wie Sancte Romane ecclesie fidei defensionis clippeum adversus Valdensium seu Pickardorum heresim in formam sermonum utilissime redactum (Olomouc: Baumgarten 1501, 2. Auflage 1502). Diese Schriften - in einheimischen wie in ausländischen Bibliotheken verbreitet - blieben aber so gut wie einflußlos, da die Brüdergemeinde gut organisiert war und im kulturellen, politischen und geistigen Leben Mährens große Bedeutung erlangt hatte.

Im 16. Jahrhundert wurde die Reformation Luthers besonders in den mährischen Städten mit überwiegend deutscher Bevölkerung bereitwillig aufgenommen. Zahlreiche städtische Schulen und Gymnasien wurden gegründet, um die Vorherrschaft der katholischen Kirche auf dem Gebiet der Bildung zu durchbrechen. Bekannte protestantische Gymnasien gab es in Jihlava [Iglau], Znojmo [Znaim], Velké Mezirící [Groß-Meseritsch], Šternberk [Sternberg], Letovice [Letowitz] und Prostejov [Prossnitz]; hervorragende Schulen der Böhmischen Brüder in Prerov [Prerau], Prostejov [Prossnitz], Ivancice [Eibenschütz] und Fulnek, wo auch die Laufbahn des bedeutenden Pädagogen Jan Amos Komenský (Comenius, 1592-1670) begann. Berühmt waren die Druckereien der Brüdergemeinde in Ivancice (1564-1576) und Kralice [Kralitz] (seit 1579). In Kralice erschien die tschechische Bibelübersetzung (6 Teile, 1579-1593 und weitere Ausgaben), die zur Norm für die tschechische Schriftsprache wurde. Die Brüdergemeinde besaß eine Zentralbibliothek auf der Kralitzer Feste, die etwa 1000 Bände umfaßte. Vorwiegend handelte es sich um theologische Reformationsliteratur, darunter Bibelausgaben und -kommentare, sowie um lateinische Wörterbücher, griechische und hebräische Grammatiken, die für die Übersetzungsarbeit benötigt wurden. Diese Entwicklungen wurden allerdings nach 1620 von der Gegenreformation durchkreuzt. Schulen und andere Einrichtungen der Böhmischen Brüder wurden geschlossen oder an die Jesuiten übergeben. Die Bibliothek wurde 1628 ins Exil ins schlesische Breslau abtransportiert, wo sich ihre Spur verliert. Ihre Existenz und ihre Bestände sind heute nur noch durch die handschriftlichen Verzeichnisse dokumentiert, die im Prager Nationalmuseum aufbewahrt werden.

In der Phase des Späthumanismus entstanden einige größere Privatbibliotheken nichtkatholischer Adliger, die jedoch infolge der politischen Veränderungen nach 1620 und in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges vernichtet, zerstreut oder ins Ausland verbracht wurden. Die Bestandszusammensetzungen waren im wesentlichen durch Reisen und Studienaufenthalte der Eigentümer im europäischen Ausland geprägt. Viele mährische Adlige hatten an Universitäten oder Akademien in Deutschland (traditionell in Wittenberg, aber auch in Heidelberg, Herborn, Marburg und Straßburg), in den Niederlanden und auch in England oder Frankreich studiert. So hinterließ der mährische Landeshauptmann Hynek Brtnický von Waldstein (1545-1595) auf seinem Schloß in Brtnice [Pirnitz] eine umfangreiche Bibliothek mit zahlreichen Schriften von Luther, Melanchthon und David Chytraeus. Eine ähnliche Bibliothek besaß Johann Wenzel Vencelík von Vrchovišt (1606) auf seinem Schloß in Trešt [Triesch]. Georg Zikmund von Zástrizel (1582-1614) hatte während seines Studiums in Genf in den Jahren 1597 und 1598 die gesamte Bibliothek des Reformators und Calvin-Nachfolgers Th‚odore de BŠze aufgekauft, um sie auf seine Burg Buchlov [Buchlau] zu überführen. Das zugehörige Inventar aus dem Jahre 1768 (heute im Mährischen Landesarchiv in Brünn) verzeichnet neben Reformationsliteratur auch Werke der Kirchenväter in seltenen Folio-Ausgaben und etwa 30 frühe tschechische Bücher.

Die größte Privatbibliothek dieser Epoche gehörte jedoch Karl d. Ä. von Zierotin (Zerotín, 1564-1636), mährischer Staatsmann, Autor und Angehöriger der Brüdergemeinde. Sie wurde von seinem Vater Johann d. Ä. von Zierotin (1583) gegründet, der ebenfalls Mitglied und Schutzpatron der Brüdergemeinde war und 1578 für die Umsiedlung der Druckerei auf seine Kralitzer Feste sorgte. Die Zierotinsche Bibliothek umfaßte theologische, philosophische, humanistische, juristische und medizinische Werke (einschließlich Klassikerausgaben antiker Autoren) in lateinischer, deutscher, französischer, italienischer und englischer Sprache, des weiteren etwa 150 tschechische Bücher. Unter den auf Pergament gedruckten Prachtbänden in tschechischer Sprache, die die Brüdergemeinde ihren bedeutendsten Anhängern schenkte, waren ein Gesangbuch von 1576 und die Kralitzer Bibel von 1613. Als Karl 1628 ins Exil nach Breslau ging, nahm er seine Bibliothek mit. Nach seinem Tod schenkte sie sein Enkel Karl Bruntálsky von Vrbno (Würbenthal) im Jahre 1641 der Breslauer Maria-Magdalenen-Kirche und ihrer Bibliothek. Beide Bibliotheken gingen 1810 in die Breslauer Stadtbibliothek und 1946 in die örtliche Universitätsbibliothek ein. Die Zeit der Gegenreformation (1620-1773) Durch die gegenreformatorischen Bestrebungen einer kleinen, aber rigorosen katholischen Partei kam es zur Einführung des Jesuitenordens in Mähren. Allen Jesuitenkollegien wurden Gymnasien angeschlossen, in denen umfangreiche Bibliotheken entstanden. Beim ältesten Kollegium in Olomouc wurde 1566 eine Akademie gegründet, die 1573 den Status einer Hochschule erhielt und dadurch nach der Prager (1348) zur zweiten Universität im Land und zur einzigen in Mähren (bis 1919) wurde. Weitere Jesuitenkollegien entstanden 1578 in Brno, 1625 in Jihlava [Iglau], 1625 in Znojmo [Znaim], 1625 in Opava [Troppau], 1643 in Uherské Hradište [Ungarisch Hradisch] (übertragen von Kromeríz [Kremsier] 1636), 1657 in Telc [Teltsch] und im 1674 gegründeten Gymnasium in Tešín [Teschen].

Die Jesuitenbibliotheken wuchsen rasch an, da sie große Büchersammlungen von Anhängern des Ordens als Schenkungen oder Vermächtnisse aufnahmen. So erhielt das Olmützer Kollegium als Patengeschenk Bücher von Bischof Vilém Prusinovský z Vickova (1534-1572), und Vratislav z Pernštejna (von Pernstein) vermachte einen Teil seiner Schloßbibliothek in Tovacov [Tobitschau] (1567). Der erste Rektor Hutardus Perez ließ benötigte Bücher in Augsburg kaufen. Im Jahre 1569 schenkte der gelehrte Olmützer Bürger Florian Romanus dem Kollegium eine ganze Wagenladung Bücher. Weitere Spender waren die Olmützer Domherren Wenzel Bilavský (1570), Peter Illicinus (1586), Thomas Crencius (1605), Johann Konupka (1616), Martin Wenzel von Greifenthal (1617), Wenzel Pilar von Pilhu (1621), Sigmund Scholl von Schollenbach (1622), Nikolaus Sarkander (1622), Johann Friedrich Freiherr von Brauner (1638), Adam Moriz Tabernator von Sternfeld (1657), Andreas Dirre (1669) und Heinrich von Mayerswald (1747).

Die Grundlage der Brünner Jesuitenbibliothek stammt aus dem Nonnenkloster des Dominikanerordens (auch Herburger Kloster genannt), dessen gesamtes Vermögen den Jesuiten durch Kaiser Rudolf II. überlassen wurde. Im Jahre 1598 vermachte Peter Grodeczky seine Büchersammlung, und von Helena Gräfin von Thouar, geborene Berka von Lipé, erhielt die Bibliothek eine tschechische Bibelhandschrift, die unter der Bezeichnung Boskowitzer Bibel oder zweite Olmützer Bibel bekannt wurde und heute ein Rarissimum der Olmützer Staatlichen wissenschaftlichen Bibliothek darstellt. Im Jahre 1628 schenkte Katharina Zoubek von Zdetín als letztes Mitglied dieses alten mährischen Adelsgeschlechts die umfassende Büchersammlung ihres Vaters, des Obristlandschreibers Wilhelm Zoubek von Zdetín (1608), deren Bücher einheitlich in Leder gebunden und mit dem Wappensupralibros versehen sind. Von den späteren Schenkungen verdienen Erwähnung die des Brünner Domherrn und Pfarrers von Brno-Turany [Turas] Matthäus von Petrasch (1657), des Pfarrers von Pozorice [Posoritz] Jakob Augustin Rumpelius (1665) und des Fürsten Ferdinand von Dietrichstein (1679), die unter anderem 842 nichtkatholische Bücher aus der Sammlung des Präsidenten der böhmischen Hofkammer, Ferdinand Hoffman von Grünpichl (1540-1607) enthielt, ebenso einen handschriftlichen Sammelband mit Werken des tschechischen Religionsdenkers Peter Chelcický (1460), der ähnlich wertvoll ist wie die Boskowitzer Bibel.

In Jihlava erwarben die Jesuiten die vollständigen Bibliotheken des Iglauer Arztes Peter Schmilauer von Schmilau (1637) und des Dechanten aus Freistadt in Oberösterreich, David Joseph Ritter von Stein (1718). Der Gründer des Kollegiums in Znojmo [Znaim], Michael Adolf Graf von Althann (1574-1638) schenkte der Bibliothek seine umfangreiche private Büchersammlung (1625). Im Jahre 1628 wurden alle nichtkatholischen Bücher der Znaimer Bevölkerung, die wieder zur katholischen Religion übergetreten waren, in die Jesuitenbibliothek inkorporiert. Ihre vollständigen Sammlungen übergaben dem Kollegium in Uherské Hradište [Ungarisch Hradisch] Wenzel von Hrádek (1638), der Pfarrer in Lulec [Lultsch] Stephan Sarnzizius (1645) und der örtliche Dechant Georg Obrocný (1694). Der Bibliothek des Kollegiums in Telc [Teltsch] übergab Guido Graf von Regal seine besonders an französischen Werken reiche Sammlung mit mehr als 2000 Bänden, ebenso Maximilian Graf von Regal (1726). Die Bibliothek des Kollegiums in Opava [Troppau] erhielt 1673 aus einer Hinterlassenschaft zahlreiche verbotene Bücher sowie 1763 eine Schenkung der Grafen Hodický z Hodic. Die Namen der zahlreichen Spender vermitteln eine Vorstellung von den einst vorhandenen privaten Adels- und Gelehrtenbibliotheken; gleichzeitig sind sie oft der einzige Beleg für deren Existenz. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 bildeten dessen Bibliotheken - allein die Olmützer zählte 8000 Bände - die Grundlage der staatlichen Universitätsbibliothek in Olomouc.

An der Gegenreformation war auch der Kapuzinerorden beteiligt, so daß sich in seinen Bibliotheken zahlreiche verbotene Bücher fanden. Mährische Kapuzinerklöster wurden in Brno 1604, Mikulov [Nikolsburg] 1611, Olomouc 1613, Vyškov [Wischau], Jihlava [Iglau] 1630, Znojmo [Znaim] 1632, Fulnek 1674 und Trebíc [Trebitsch] 1684 gegründet. Die größte Bibliothek befindet sich in Brno mit einem Gesamtbestand von mehr als 7000 Bänden.

Ein Gegengewicht zum jesuitischen Schulwesen bildeten die Schulen der Piaristen mit einer größeren Glaubenstoleranz und ihrem oft kostenlosen Unterricht für Schüler der unteren Gesellschaftsschichten. Piaristische Kollegien mit angeschlossenen Schulbibliotheken entstanden während des 17. Jahrhunderts in Mikulov [Nikolsburg] 1632, Stráznice [Straánitz] 1633, Lipník nad Becvou [Leipnik] 1634, Kromeríz [Kremsier] 1687, Stará Voda [Altwasser] 1690 und Príbor [Freiberg] 1694. Bis heute erhalten sind die Bibliotheken von Mikulov (ca. 2200 Bände, mit großen Verlusten), Lipník nad Becvou (ca. 2500 Bände) und Príbor (ca. 3000 Bände).

Im 17. Jahrhundert entstanden ebenfalls umfangreiche Adelsbibliotheken. Eine der größten ist die der Dietrichsteins in Mikulov [Nikolsburg], deren ältester Teil, durch Kardinal Franz Fürst von Dietrichstein (1570-1636) gesammelt, jedoch im Jahre 1647 von den Schweden geraubt wurde. Die aus ererbten Sammlungen der Familien Proskowsky von Proskau und Hoffman von Grünpichl entstandene Bibliothek wurde 1933 und 1934 größtenteils ins Ausland verkauft. Erhaltene mährische und schlesische Schloß- und Burgbibliotheken wurden nach 1945 zur Verwaltung an das Prager Nationalmuseum übergeben und sind dort beschrieben (siehe Band 2, Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag).

Neben den den Klöstern gestifteten Privatbibliotheken seien noch einige erwähnt, die leider durch Verkäufe zerstreut wurden. So beabsichtigte der Brünner Landesadvokat Wilhelm Alexander Balaus (1711-1752), seine über 9000 Bände umfassende Universalbibliothek der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verstarb aber vorzeitig. Weitere Bibliotheken wurden erst durch ihre gedruckten Kataloge bekannt, die anläßlich ihres Verkaufs herausgegeben wurden und die Bestände auswiesen. Nicht übereignet wurden die umfangreichen Bibliotheken des Dompropstes von St. Peter in Brno, Johann Matthias Graf Thurn-Valsassina (1746) und des Olmützer Dom-Scholastikus Franz Gregor Giannini (1688-1758) mit 8370 Bänden, der allerdings später in Konkurs geriet. Das im 18. Jahrhundert grundlegend veränderte kulturelle und literarische Interesse des mährischen Adels bezeugt beispielsweise das Inventar der Schloßbibliothek Strílky [Strzilek] von Amandus Petrzvaldský z Petrzvaldu (1762), das heute im Mährischen Landesarchiv in Brünn erhalten ist. Es verzeichnet etwa 1200 Bände überwiegend in lateinischer und französischer Sprache, zudem einige italienische und deutsche Werke und nur eine einzige tschechische Chronik. Von der Auflösung des Jesuitenordens (1773) bis zur Gegenwart Das moderne Kapitel des mährischen Bibliothekswesens beginnt mit der Errichtung der ersten öffentlichen wissenschaftlichen Bibliothek. Nach Auflösung des Jesuitenordens 1773 wurde die Olmützer Universität verstaatlicht. Durch Beschluß des mährischen Landesguberniums vom 11. August wurde die Bibliothek des aufgehobenen Olmützer Jesuitenkollegiums zur öffentlichen, vom Staat unterstützten Universitätsbibliothek erklärt. Ausgewählte Bücher aus fünf mährischen Jesuitenkollegien (Brno, Jihlava [Iglau], Znojmo [Znaim], Uherské Hradište [Ungarisch Hradisch], Telc [Teltsch]), später 1787 und 1790 aus Opava [Troppau] und Tešín [Teschen] erweiterten den Gesamtbestand auf etwa 18.000 Bände. Zwischen 1778 und 1782 mußte die gesamte Universität einschließlich Bibliothek kurzfristig nach Brno verlegt werden; die Bücher kamen erst 1787 zurück.

Während der Regierung Kaiser Josephs II. wurden fast alle Klöster Mährens und Schlesiens aufgehoben, so daß der eingegangene Buchbestand von 40 Klöstern die Bestände der Olmützer Universitätsbibliothek signifikant anwachsen ließ. Sie stammten von den Augustinerchorherren in Fulnek, Olomouc und Šternberk [Sternberg], von den Augustiner-Eremiten in Jevicko [Gewitsch], den Unbeschuhten Augustinern in Vratenín [Fratting], den Zisterziensern in Velehrad [Wellehrad] und Zdár nad Sázavou [Saar], den Dominikanern in Boskovice [Boskowitz], Brno, Jihlava [Iglau], Opava [Troppau], Šumperk [Mährisch Schönberg] und Ceský Tešín [Teschen], den Franziskanern in Brno, Kromeríz [Kremsier], Olomouc, Opava [Troppau] und Znojmo [Znaim], den Kapuzinern in Jihlava, Kyjov [Gaja], Mikulov [Nikolsburg], Námešt nad Oslavou [Namiescht an der Oslawa], Prostejov [Prossnitz] und Vyškov [Wischau], den Kartäusern in Brno und Olomouc, den Minoriten in Olomouc, den Minimen in Brtnice [Pirnitz] und Vranov u Brna [Wranau], den Paulinern in Moravský Krumlov [Mährisch Krumau], den Prämonstratensern in Brno, Olomouc-Hradisko [Olmütz-Hradisch], Olomouc-Svatý Kopecek [Olmütz-Heiligenberg] und Znojmo-Louka [Bruck an der Thaya] (mit 9627 Bänden die größte und schönste mährische Klosterbibliothek, deren wertvolle Bücherschränke an das Prager Stift Strahov verkauft wurden), den Serviten in Jaromerice nad Rokytnou [Jaromeritz] und Veselí nad Moravou [Wessely an der March], den Trinitariern in Holešov [Holleschau] und Zaššová [Zaschau] sowie von der Priesterbibliothek der Wallfahrtskirche auf Hostýn [Hostein].

Insgesamt kamen so etwa 96.000 Bände nach Olmütz, wo nach einer Auswahl noch etwa 24.000 Bände davon verblieben, vor allem humanistische Literatur und typographische Seltenheiten. Zusammen mit den Bibliotheken der ehemaligen Jesuitenkollegien bildeten sie den größten historischen Buchbestand Mährens. Der Name der Universitätsbibliothek änderte sich mehrmals, so 1782 in Lyzealbibliothek, 1860 nach Auflösung der Universität in K.u.k. Studienbibliothek, nach Wiedererrichtung der Universität 1946 erneut in Universitätsbibliothek und seit 1961 in Staatliche wissenschaftliche Bibliothek. Zwischen 1807 und 1935 besaß sie das Pflichtexemplarrecht für alle Publikationen aus Mähren und Schlesien, so daß ihre Bestände für diese Zeit und dieses Gebiet eine seltene Vollständigkeit aufweisen.

Das Fehlen weiterer öffentlicher wissenschaftlicher Bibliotheken in Brünn suchten die in jener Zeit entstandenen Lesegesellschaften und kleinen Leihbücherein zu kompensieren. Als erster errichtete der Wiener Kunsthändler Jakob de Bianchi 1773 sein Lektur-Kabinett zum allgemeinen Nutzen der besonderen Liebhaber der Künste und Wissenschaften mit diversen Büchern und ausländischen Zeitungen, das jedoch bald wieder schließen mußte. Es folgte das Lesekabinett des Brünner Buchbinders und Verlegers von Schullehrbüchern Jakob Straßmann ( um 1806). Im Jahre 1785 begründeten die drei Freimaurer Viktor Heinrich Riecke, J. Emanuel Dietmann von Traubenburg und Nikolaus T. Rösler eine Lesegesellschaft, bei der jedes Mitglied Bücher zur Lektüre nach Hause entleihen konnte. Im Angebot waren vorwiegend Romane, Reisebeschreibungen und andere populäre Lektüre, jedoch keine wissenschaftlichen Publikationen. Der Brünner Buchdrucker Johann Georg Gastl (1814) gründete 1791 sein Lese-Institut. All diese Unternehmungen wurden am Ende des 18. Jahrhunderts durch verschärfte Presse- und Zensurbestimmungen in der Monarchie infolge der Französischen Revolution verboten. Erst 1837 konnte sich in Brünn wieder ein allgemeiner Leseverein formieren.

Die zweite mährische öffentliche wissenschaftliche Bibliothek war die des Franzensmuseums in Brno, die am 11. Dezember 1883 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Schon 1815 hatte es entsprechende Bestrebungen gegeben, da man sich in der mährischen Hauptstadt als politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Zentrum des Fehlens einer solchen Bibliothek bewußt war. Das Franzensmuseum mit seiner Bibliothek wurde organisatorisch der K.u.k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde angeschlossen, die 1811 durch Vereinigung einiger Brünner Wirtschafts- und Heimatkundevereine, darunter der ältesten Gesellschaft für Ackerbau und freie Künste aus dem Jahre 1770, ins Leben gerufen wurde. Die Errichtung des Landesmuseums zum Zwecke der Zusammenführung der historischen und naturwissenschaftlichen Denkmäler Mährens wurde mit kaiserlichem Erlaß vom 29. Juli 1817 genehmigt. Die dem Museum angegliederte Bibliothek besaß bei der Eröffnung bereits etwa 45.000 Bände. Im Juni 1899 kam sie unter die Verwaltung des Landes Mähren und wurde als Landesbibliothek eine selbständige Institution. Nach Errichtung der Brünner Universität im Jahre 1923 wurde sie zur Landes- und Universitätsbibliothek und kam damit unter staatliche Verwaltung.

Nach Integration der Staatlichen technischen und der Staatlichen pädagogischen Bibliothek im November 1958 entstand die Staatliche wissenschaftliche Bibliothek, die 1993 mit dem Namen Mährische Landesbibliothek ihre traditionelle Bezeichnung aus dem Jahre 1899 zurückerhielt. An Handschriften und Inkunabeln ist sie nicht so reich wie die Bibliothek in Olomouc, da sie bei der Teilung des Bestandes mit dem Landesarchiv die gesamte Handschriften- und Archivaliensammlung des Franzensmuseums aus dem 14. bis 19. Jahrhundert verlor (987 Nummern, 2500 Stück). Sie verfügt jedoch über eine umfassende Sammlung an Bohemica und Moravica einschließlich eines großen Bestandes an Werken Komenskýs (Comeniana), weiterhin bibliophile Drucke, Musikalien, Schulprogramme, eine Kartensammlung von Bernhard Paul Moll (1697-1780, ca. 13.000 Stück) sowie die Privatbibliotheken des Dichters Otakar Brezina (1868-1929) und des Schriftstellers Jakub Deml (1878-1961). Von 1950 bis 1990 wurde die Universitätsbibliothek mit der Verwaltung der Klosterbibliotheken aus Brno und aus den ehemaligen Brünner und Iglauer Kreisen betraut.

Die Staatliche technische Bibliothek (Bezeichnung seit 1948) war 1900 als Teil der Tschechischen technischen Hochschule in Brno (gegründet 1899) errichtet worden. Parallel zu dieser Hochschule existierten seit 1873 in Brno auch die Deutsche technische Hochschule, die aus einer 1849 gegründeten Technischen Lehranstalt hervorging. Nach 1945 übernahm die Bibliothek der tschechischen Hochschule die umfangreiche Bibliothek der deutschen Hochschule (ca. 80.000 Bände) mit großen Beständen an deutscher enzyklopädischer, technischer, mathematischer und naturwissenschaftlicher Literatur vom Ende des 18. Jahrhunderts und aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Nach Aufhebung des Jesuitenordens übernahm der Staat die sechs Jesuitengymnasien (in Brno, Olomouc, Jihlava [Iglau], Znojmo [Znaim], Opava [Troppau] und Tešín [Teschen]), wobei in einigen (vor allem in Brno und in Jihlava) die für den Unterricht geeigneten älteren Bücher aus den Jesuitenbibliotheken behalten wurden. Da die Studienordnungen eine regelmäßige jährliche Dotation für den Bücherankauf vorsahen, waren in den Gymnasien angemessene Bibliotheken mit wertvollen historischen Beständen entstanden. In der Brünner Gymnasialbibliothek (später das erste deutsche Gymnasium) sind 333 Drucke des 16. Jahrhunderts erhalten, von der Iglauer Bibliothek wurde 1920 der Brünner Universitätsbibliothek das einzige Blockbuch der Tschechischen Republik, eine niederländische Biblia pauperum aus der Zeit um 1450, 40 Inkunabeln und 220 Drucke des 16. Jahrhunderts übergeben. Die schlesischen Gymnasien wurden durch Gründung der Gymnasialmuseen mit ihren reichen Büchersammlungen bekannt. Das Teschener Gymnasialmuseum erhielt von Leopold Johann Scherschnik (1747-1814) seine 12.000 Bände umfassende Privatbibliothek, die Troppauer Bibliothek (gegründet 1814) wuchs innerhalb von 20 Jahren auf fast 15.000 Bände an, wurde allerdings gegen Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 stark beschädigt.

Umfangreiche historische Buchbestände finden sich auch in den Archiven. Das Mährische Landesarchiv in Brno, das als selbständige Einrichtung der Stände in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, erwarb um 1850 den Hauptteil der Handschriftensammlung von Johann Peter Cerroni (1753-1826), mit zahlreichen Quellen zur mährischen Geschichte. Eine weitere bedeutende Erwerbung war eine größere Sammlung von Inkunabeln, tschechischen Paläotypen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und Alten Drucken aus dem Nachlaß von Antonín Bocek (1802-1847). Wertvoll ist zudem eine Sammlung von deutschen und tschechischen Flugblättern aus den Jahren 1534 bis 1643. Das Brünner Stadtarchiv enthält die Bibliothek des mährischen Landesgubernators Anton Friedrich Graf Mittrowsky von Nemischl (Mitrovský z Nemyšle, 1770-1842) aus dem Schloß Loucná (früher Víznberk [Wiesenberg], Bezirk Šumperk) mit 14.000 Bänden, die 1901 von der Stadtgemeinde angekauft wurde, sowie seit 1931 als Depositum die obengenannte mittelalterliche Bibliothek der Brünner St.-Jakobs-Kirche. Die Olmützer Domkapitelsbibliothek wird von der Olmützer Arbeitsstelle des Landesarchivs Opava verwaltet. Kleinere, aber nennenswerte historische Buchbestände finden sich in den Bezirksarchiven Jihlava [Iglau] (13 Inkunabeln), Znojmo [Znaim] und Prerov [Prerau], wo von der Zweigstelle Lipník nad Becvou [Leipnik] die örtliche Bibliothek des Piaristenkollegiums verwaltet wird.

Die Bibliotheken der ältesten mährischen und schlesischen Museen wuchsen in ihrer Bedeutung bald über ihre Institutionen hinaus und wurden selbständig oder Bestandteil einer größeren Einrichtung. So entstand aus der Bibliothek des Franzensmuseums (heute Mährisches Landesmuseum) in Brno die Brünner Universitätsbibliothek. Die beiden Museumsbibliotheken der schlesischen Gymnasien sind jetzt Bestandteile der Bibliothek des Schlesischen Instituts beim Schlesischen Landesmuseum in Opava [Troppau] und der Ksiaznica Cieszynska in Cieszyn [Teschen, Polen]. Weitere vorwiegend städtische Museen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Mähren in größerer Zahl gegründet wurden, sammelten in beachtlicher Weise Drucke der regionalen und volkstümlichen Literatur aus ihrem Wirkungsgebiet. Größere historische Buchbestände finden sich in Frýdek-Místek (gegründet 1925 mit 507 Drucken aus den Jahren 1519 bis 1850), Hranice [Weißkirchen] (1905), Ivancice [Eibenschütz] (1893 mit 500 Bänden Alter Drucke), Jihlava [Iglau] (1892, Schloßbibliothek der Grafenfamilie Dobrzensky von Dobrzenicz aus Plandry [Preitendorf] mit 1122 Bänden), Nový Jicín [Neutitschein] (Freiberger Piaristenbibliothek), Prerov [Prerau] (1901 mit 2000 Bänden vor allem Comeniana), Trebíc [Trebitsch] (1894 mit ca. 1500 Bänden), Uherský Brod [Ungarisch Brod] (1894, ebenfalls viele Comeniana), Valašské Meziríci [Walachisch Meseritsch] (1884, Sammlung evangelischer Alter Drucke) und Znojmo [Znaim] (2307 Bände des 16. bis 19. Jahrhunderts, davon ein Drittel Alte Drucke).

Trotz der Josephinischen Säkularisation blieben einige größere und kleinere Klosterbibliotheken in Mähren erhalten, darunter als umfangreichste und älteste die Bibliothek des Benediktinerstiftes Rajhrad [Raigern] (heute ca. 65.000 Bände). Noch im 19. Jahrhundert spielten einige Klöster (vor allem die Brünner Augustiner und Minoriten, aber auch Rajhrad) eine wichtige Rolle sowohl in Wissenschaft und Kultur (beispielsweise in Brünn der Augustiner Gregor Mendel) als auch in der weiteren Ausbildung des zuvor wenig entwickelten mährischen nationalen und politischen Bewußtseins. In derselben Zeit wird nach und nach eine Stagnation in der Bibliothekstätigkeit deutlich. Der Zustand der Bibliotheken spiegelt den Personalmangel bei den Ordensgeistlichen und die wirtschaftlichen Probleme der Orden wider. Bestenfalls blieben die historischen Bestände als Ganzes erhalten, jedoch ohne geregelte Verwaltung oder neuen Bucherwerb; schlimmstenfalls wurden seltene Stücke wie in Rajhrad verkauft, um finanzielle Schwierigkeiten zu kompensieren. Viele Sammlungen gerieten in völlige Unordnung. Nur wenige Klosterbibliotheken konnten ihre Tätigkeit aktiv bis in die Gegenwart fortsetzen (wie die Augustinerbibliothek in Alt-Brünn oder die der Prämonstratenser in Nová Ríše [Neu-Reisch]). Ebenfalls erhielten sich als Kirchenbibliotheken die der beiden Seminare der mährischen Diözesen. Die 1807 gegründete Brünner Bibliothek wuchs vorwiegend durch Geschenke und Vermächtnisse auf etwa 35.000 Bände an.

Nach dem Eingriff des Staates in die Klöster im Jahre 1950 übernahm die Mährische Universitätsbibliothek in Brno die Bibliotheken der Brünner Klöster und der Klöster der Kreise Brno und Jihlava [Iglau]; die Universitätsbibliothek in Olomouc übernahm die Bibliotheken der Stadt Olomouc, der Kreise Olomouc und Zlín [Gottwaldov] sowie die Schlesische Studienbibliothek in Opava die der Klöster im Kreis Ostrava [Troppau]. Fünf Klosterbibliotheken von erheblicher Bedeutung und mit wertvollem Interieur aus dem 18. Jahrhundert (die der Augustiner, Kapuziner und Minoriten in Brno, der Benediktiner in Rajhrad [Raigern] und Prämonstratenser in Nová Ríše [Neu-Reisch]) blieben als kulturelle und historische Denkmäler an ihrem Ort und dadurch als funktionaler Teil des nationalen Kulturerbes erhalten. Durch die Restitutionsgesetze von 1990 und 1991 wurden die Klosterbibliotheken an die vorherigen Besitzer zurückgegeben.

Die erste mährische öffentliche Volksbücherei, die mit ihrem historischen Bestand bis heute unversehrt erhalten geblieben ist, wurde 1811 in Hranice [Weißkirchen] von dem Aufklärer, Arzt und Literaten Josef Herman Agapit Gallaš (1756-1840) als pädagogisch-didaktische Anstalt gegründet. Nach seinen Vorstellungen sollte sie als Studienbibliothek kostenlos den ärmeren Gelehrten und der interessierten Bevölkerung dienen. Der Bestand umfaßt heute 4552 Bände und steht unter der Verwaltung des örtlichen Weißkirchener Museums.

Einige bedeutende Privatbibliotheken konnten im Verlauf des 19. Jahrhunderts für öffentliche Sammlungen erworben werden. So gab eine ganze Reihe von Mäzenen ihre Bestände an die Bibliothek des Brünner Franzensmuseums ab. Besonders zu nennen ist Friedrich Graf von Silva-Tarouca (1816-1881), dessen Schenkung von etwa 6000 Bänden den größten Beitrag zu den historischen Beständen darstellte; daneben Anton Endsmann Ritter von Ronow, der 1845 Bände im Jahre 1857 vermachte. Auch das Mährische Landesarchiv und das Stadtarchiv in Brünn erwarben durch Kauf wertvolle Sammlungen, so einen Großteil der Cerronischen Sammlung, deren Rest aber weit verstreut wurde, darunter die einzige deutschsprachige Brünner Inkunabel (Hans Folz, Von den Bädern, Brünn 1495, GW 10115), die sich heute als Unikat in der British Library in London befindet. Die Privatbibliotheken des Brünner Bischofs Vinzenz Joseph Graf von Schrattenbach (1816) und des Präsidenten des mährischen Appellationsgerichts, Joseph Graf von Auersperg (1767-1829), wurden leider völlig zerstreut, Reste davon finden sich in den verschiedensten mährischen historischen Buchbeständen; seine Sammlung der Freimaurerliteratur (283 Bände) gelangte als Ganzes zusammen mit der Bibliothek Endsmann von Ronows in das Franzensmuseum.

Die zahlreichen einschneidenden politischen und sozialen Veränderungen des 20. Jahrhunderts überstanden die historischen Buchbestände insgesamt ohne große Beeinträchtigungen. In beiden Weltkriegen entstanden nur geringe Schäden. Allerdings wiederholten sich bestimmte Fehler und Verluste, die schon in den Zeiten der Josephinischen Säkularisation aufgetreten waren. Die staatlichen Eingriffe in das Güterrecht und die Umstrukturierungen wurden 1945 und 1950 vorgenommen, ohne daß die jeweils übernehmenden In- stitutionen für die Aufnahme der Buchbestände zureichend vorbereitet, konzeptionell ausgerichtet oder materiell ausgestattet waren.

Die größten und bedeutendsten historischen Buchbestände sind heute in öffentlichen Sammlungen konzentriert. Durch die Restitutionsprozesse konnte die Tätigkeit vieler Klosterbibliotheken neu belebt werden. Es handelt sich dabei um einen bedeutenden Teil der historischen Buchbestände; allein im ehemals südmährischen Kreis sind es etwa 250.000 Bände, darunter etwa 107.000 Alte Drucke. Die Erschließung dieses immensen kulturellen Reichtums bedarf intensiver Arbeit. Das Hauptproblem ist die zweckmäßige Unterbringung und die Erhaltung der Bestände durch Konservierung und Restaurierung.

Jaroslav Vobr


Quelle:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.